„Treffpunkt der Freunde und Künste“ – die Denkbar

Christian Hellweg, Doris Lerche und Wolfgang Platen (von links) sind der Vorstand der „Denkbar“. F.A.Z.-Foto / Helmut Fricke

Treffpunkt der Freunde und Künste

Die „Denkbar“ im Frankfurter Nordend empfiehlt sich als Ort kultureller Vielfalt.
Von Claudia Schülke

Gesucht hatten sie einander nicht, gefunden aber haben sie sich dennoch: Christian Hellweg und Wilhelm Zimmermann, der einstige Hals-Nasen-Ohren-Arzt mit philosophischer Praxis an der Goethestraße und der politische Grafiker und Eigentümer des Hauses Nummer 46a in der Spohrstraße. Schon 1994 war der rührige Hellweg Mitbegründer der ersten „Denkbar“ an der Schillerstraße, zehn Jahre später löste der Verein, der hinter dem philosophischen Salon stand, sich wieder auf. 2011 gründeten Hellweg, Zimmermann und Wolfgang Platen, naturwissenschaftlich-philosophisch interessierter Leiter einer Schwimmschule, eine neue gastronomische „Denkbar“ im Frankfurter Nordend und im Jahr darauf den gleichnamigen Verein, der sich heute als Kultursalon versteht. Als 2016 auch noch die Autorin Doris Lerche dazustieß, die ihre Erfahrungen aus den Gründungstagen der „Romanfabrik“ im Ostend mitbrachte, formierte sich eine Programmgruppe aus sieben von mittlerweile 30 Vereinsmitgliedern. Die Reviere sind abgesteckt. Hellweg hat den ethnologisch-anthropologischen Fachbereich unter dem Motto „Conditio humana“ übernommen, Platen, der inzwischen auch noch den Verein „Hinter der Natur“ gegründet hat, kümmert sich um die Philosophie jenseits der Naturwissenschaften. Zimmermann hat dem Verein seine Räume zur Verfügung gestellt: ein „Kulturcafé“ im Erdgeschoss, in dem täglich außer montags von 10 bis 18.30 Uhr Farahnaz Limatschi-Deli waltet und Aquiles Vilagrasa-Roth die Abendveranstaltungen als Wirt begleitet.

Die Programmgruppe hat Themenreihen entwickelt, die in unterschiedlichen Formaten abgearbeitet werden. Montags treffen sich Philosophen mit Bodenhaftung, dienstags stehen Vorträge und Diskussionen an, etwa über die Frage „Was bedeutet uns Auschwitz heute?“, zu deren Beantwortung Hellweg neben anderen eine Mitstreiterin des Projekts „Stolpersteine“ geladen hat. Jeden ersten Mittwoch im Monat werden unter dem Motto „Local heroes“ Dokumentarfilme über Frankfurt gezeigt, der Donnerstag ist für die Literatur reserviert, gerne auch mit Musik, freitags und samstags wartet die „Denkbar“ mit Jazz und Flamenco auf. Damit die bildende Kunst nicht zu kurz kommt, dürfen Künstler ihre Werke an den Wänden ausstellen. Hetty Krist hat die Gelegenheit wahrgenommen, ihre Zeichnungen schmücken nun das Café.

Im ersten Stock tagt jeweils am ersten Dienstag im Monat der Verein „Transition Town Frankfurt“, der sich um nachhaltiges Leben in der Stadt kümmert. Überhaupt sind Gruppen und andere Vereine willkommen. Zum Beispiel die Schopenhauer-Gesellschaft, deren Frankfurter Sektionsleiter Thomas Regehly auch schon im Vorstand der alten „Denkbar“ vertreten war. Die neue „Denkbar“ wolle „ein Ort der Begegnung“ sein, wo der kulturelle Austausch über die Genregrenzen hinweg gepflegt wird, sagt Lerche. Etwa der Austausch zwischen Europa und Nordafrika, dem sich ihr eigener Verein, das Alondra-Institut, widmet. Mit dem marokkanischen Autor Mahi Binebine war im vorigen Jahr schon ein Anfang gemacht. Wenn Lerche im Herbst wieder zu ihren „Orientalischen Miniaturen“ lädt, ist auch Iran inbegriffen.

Eine für nächstes Frühjahr avisierte Reihe über „Leben und Sterben“ sieht Gespräche mit Vertretern alternativer Beerdigungsinstitute vor. Ein Vortrag über das Museum für Sepulkralkultur in Kassel steht ebenfalls auf dem Programm. Unter dem Titel „Atmen“ liest Lerche aus ihrem „Requiem für meine Mutter“. Um die Moribunden in Thomas Manns „Zauberberg“ kümmert sie sich gemeinsam mit Platen. Im April war die „Denkbar“ unter den Veranstaltungsorten der Reihe „Frankfurt liest ein Buch“, im Oktober werden zur Buchmesse georgische Verlage vorgestellt. Darüber hinaus ist vieles angedacht, aber noch ohne Termine und feste Gastnamen. Wer es genau wissen will, kann das Programm im Internet einsehen, es findet sich unter der Adresse www. denkbar-frankfurt.de.
F.A.Z., 12.07.2018, Kultur (Rhein-Main-Zeitung)