Mittwoch, 24.7.2019, 20:00 Uhr – Ella Bergmann-Michel: Dokumentarische Filme 1931-1933

Edition Filmmuseum 09
Die Künstlerin, Fotografin und Filmemacherin Ella Bergmann-Michel lebte und arbeitete seit 1920 auf der „Schmelz“, einer alten Farbenmühle in der Nähe von Frankfurt am Main, die sich mit Gästen wie Kurt Schwitters, László Moholy-Nagy und Dziga Vertov zu einem wichtigen Künstlertreffpunkt der Moderne entwickelte.
Im Umfeld des „Bundes Das Neue Frankfurt“, einer Reformbewegung um den Stadtbaurat Ernst May, gründete sie 1931 die „Arbeitsgemeinschaft für unabhängigen Film“.

Von 1931-1933 drehte sie fünf dokumentarische Filme, die ein in Deutschland seltenes Beispiel einer sozial engagierten und gleichzeitig künstlerischen Filmarbeit sind. Dass Bergmann-Michel nicht nur Filmemacherin war, sondern mit ihren Bildcollagen als Pionierin der klassischen Moderne gilt, zeigt der Dokumentarfilm „MEIN HERZ SCHLÄGT BLAU – Ella Bergmann-Michel“ von Jutta Hercher & Maria Hemmleb, D 1989, 30 Min.

Die Filme von ELLA BERGMANN-MICHEL, die in der DENKBAR gezeigt werden sind:
„Wo wohnen alte Leute“, D 1931, 13 Min. Premiere: 10.1.1932, Kurbel Frankfurt
„Erwerbslose kochen für Erwerbslose“ D1932, 9 Min. Premiere: 30.8.1932, Frankfurter Hauptwache
Wahlkampf 1932 (Letzte Wahl) – D 1932/33, 13 Min., Fragment

Gesprächsgast: Maria Hemmleb, Hamburg

Sarah Melz begleitet die Filme am Klavier.

Über die Filme
In der Vereinigung „bund das neue frankfurt“ war auch eine Arbeitsgemeinschaften für die Verbreitung und Schaffung des guten Films gegründet worden. Sie wurde der Liga für unabhängigen Film angeschlossen.
Geplant waren kritische Vorträge und die Herstellung eigener informativer Filme. Diese Arbeitsgemeinschaft wurde von einer Dreier-Gruppe geleitet deren Mitglied Ella Bergmann-Michel war.

Eines Tages machte der Architekt Mart Stam den Vorschlag einen Film über das von ihm, Moser und Kramer gebaute Budge-Altersheim in Frankfurt zu drehen. Nach einem von Mart Stam und Bergmann-Michel angefertigten Manuscript übernahm sie die Regie. Licht und Sonne in grossen heiteren Räumen – so wurde das Altersheim aufgenommen und das Wohlbefinden der Alten gezeigt. Der Grundriss des Baues sowie die Veränderlichkeit einiger Räume wurde durch Zeichnung im Trick dargestellt.

Im Frühjahr 1932 wandte sich der Verein der Frankfurter Erwerbslosen-Küchen mit einer Bitte um einen kurzen Werbe-Film an verschiedene Filmgesellschaften. Hierüber berichtete die Frankfurter Volksstimme im Sept. 1932:
„Es ist interessant, dass grosse Filmgesellschaften die Herstellung eines derartigen Bildstreifens wie den der Erwerbslosen-Küchen ablehnten, da schon die Kosten allein für den Lampenpark als zu hoch bezeichnet wurden.

Frau Bergmann-Michel musste deshalb den Film auf eigene Faust trotz grosser Schwierigkeiten mit den geringsten Mitteln herstellen. Die schon so oft totgesagte Avantgarde des Films, die hier in Frankfurt in der dem ‚bund das neue frankfurt‘ angeschlossenen Filmliga wirkt, hat mit der Lösung dieser aktuellen Aufgabe erneut ihre Existenzberechtigung erwiesen.“

Mit drei 1000 Watt-Lampen im Rucksack und der kleinen Kinamo Handkamera entstanden Aufzeichnungen in 28 Küchen, wo Erwerbslose 10.000 Ltr. Essen für Erwerbslose ausgaben, wurde ein Werbefilm, dessen Aufgabe es war überzeugend die Bitte um weitere Beiträge darzustellen. Der Film lief im Beiprogramm der Lichtspieltheater und als Freiluft-Film abends an der Hauptwache unter dem dortigen Schillerdenkmal. Einnahmen je Abend über 600 R.M.

Der letzte Film blieb ein Fragment. Es waren Aufnahmen von Wahlplakaten, von lebhaften Strassen-Diskussionen, von typischen den jeweiligen Parteien zugehörigen Anhängern. Die Frankfurter Strassen und Gassen bereits mit Hakenkreuz-Fahnen sowie Hammer und Sichel, und der bekannten Flagge mit den 3 Pfeilen geschmückt wurden dokumentarisch festgehalten. Dann musste ich die Aufnahmen aus politischen Gründen abbrechen. Es war Januar 1933.

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